Weisbrod-Zürrer von 1984 – 2006
Vom Familienbetrieb zur Designmarke
Unter Ronald Weisbrod wandelte sich Weisbrod-Zürrer von einer Seidenweberei zum kreativen Textillabor. Der neue Leitsatz lautete: „Mehr Kreativität“ – und das wurde ernst genommen. In firmeneigenen Ateliers arbeiteten zeitweise bis zu zehn Designerinnen an jährlich über 1.000 neuen Stoffentwürfen für Damenmode, Krawatten und Innendekoration. Der technische Fokus wich einem emotional aufgeladenen Gestaltungsanspruch: Stoffe sollten berühren, faszinieren, überraschen.
Design als Herzenssache
Ronald Weisbrod war kein Chef im Büro – sondern einer, der im Atelier, auf Stoffmessen oder im Zug nach Paris anzutreffen war. Er leitete das Designatelier oft persönlich und präsentierte neue Kollektionen auf der internationalen Messe Première Vision in Paris – damals eine Pioniertat unter Schweizer Textilindustriellen. Dort traf er nicht nur Kunden, sondern spürte Trends auf und knüpfte Kontakte mit Designern aus aller Welt.
Seine 1992 lancierte Kollektion „e-motion“ machte klar: Stoffe sind Emotionsträger. Die Kollektion verband Schweizer Jacquards, italienische Webstoffe und handgefertigte Stickereien aus Indien. Ronald reiste oft persönlich nach Indien zur Produktionskontrolle – auch das war Teil seines gestalterischen Ethos.
Von Uni-Stoffen zu Brokat, Head-Ties und Markenstoffen
Neben modernen Modegeweben produzierte Weisbrod-Zürrer weiterhin hochwertige Krawattenstoffe – und erschloss auch neue Märkte: etwa farbenfrohe Brokatstoffe für afrikanische Head-Ties, mit Glitzer und Struktur. Diese Designs machten Furore, und Ronald pflegte über Jahrzehnte persönliche Kontakte zu Partnern in Afrika, Japan, Frankreich, Italien und den USA.
Gleichzeitig wurde das Firmengelände neu gedacht: 1985 entstand die mittlere Webereihalle in Hausen, die Mettmenstetter Weberei wurde stillgelegt. Alles – von Design über Weberei bis zum Verkauf – wurde in Hausen zentralisiert. Das Ziel: Vereinfachung der Abläufe und direkte Umsetzung kreativer Ideen.
Der Durchbruch im Interior Design
Ein Zufall führte zur Gründung eines neuen Standbeins: Der international bekannte Designer Ulf Moritz entdeckte den Stoff „Apia“ – ursprünglich für Mode gedacht – und nutzte ihn für Vorhänge. Damit war das Interior-Geschäft geboren. Bald entwarf ein eigenes Designerteam Dekostoffe für renommierte Verlage. Die Stoffe erhielten mehrfach Designpreise und machten Weisbrod-Zürrer zur Top-Adresse auch im Bereich Innendekoration.
Strategisches Wachstum durch Firmenübernahmen
Um weiter innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben, übernahm Ronald Weisbrod mehrere Firmen:
1976: Samt-Importeur Simmen
1983: H. Gut & Co. mit Design auf Baumwolle und Seide
1994: J. Gasser & Co. (Textilgrossist)
Zudem: Maschinen und Archive der Firmen Schubiger & Schwarzenbach und Fierz – heute Teil des Firmenarchivs.
Diese Übernahmen erweiterten nicht nur das Angebot, sondern auch das Know-how und die historischen Ressourcen – ein langfristiger Wert für die Marke Weisbrod-Zürrer.
Der schmerzhafte Abschied von Darwen und Loring
Die strategische Neuausrichtung bedeutete aber auch Abschied. 1990 wurde die traditionsreiche englische Niederlassung Lancashire Silk Mills verkauft. Kurz darauf veräußerte Ronald Weisbrod auch die Windelfabrik Loring AG in Mettmenstetten. Der Verkauf an den chinesischen Konzern DSG war eine wirtschaftliche Notwendigkeit, doch Ronald begleitete den Übergang persönlich und leitete die Firma fünf Jahre lang weiter. Nach mehreren Weiterverkäufen stellte Intigena 2022 den Betrieb ein – das Areal in Mettmenstetten wird nun neu gedacht.
Export, Vielfalt und Internationalität
In den 1990er Jahren gingen 90 % der Stoffproduktion in den Export: nach Deutschland, Japan, USA, Frankreich, Italien und England. Der Umsatz setzte sich zusammen aus:
68 % Damenoberbekleidung
15 % Innendekoration
15 % Krawatten
2 % Spezialstoffe (Fahnen, Trachten, kirchliche Textilien)
Die Hälfte der Stoffe wurde in Hausen gewoben, die andere Hälfte bei Partnern in Europa und Asien. Ein Teil wurde extern weiterveredelt – eine internationale Kooperation, die hohe Qualität sicherte.