Weisbrod-Zürrer von 1930 – 1984

Krise und internationale Expansion

Nach dem Börsenkrach 1929 und steigenden Exportzöllen brach das Seidengeschäft schwer ein. 1930 traten Richard und Hans, frisch aus der Ausbildung, in das Unternehmen ein. Sie erlebten, wie fehlende Aufträge täglich über das Kommen und Gehen der Belegschaft entschieden. Ihre Lösung war ungewöhnlich mutig: 1933 wurde in Darwen, Lancashire (England), eine Zweigfabrik eröffnet – Zurrer-Silks – um Arbeitsplätze und Aufträge aus dem wichtigsten englischen Markt zu retten. Trotz Widerstands in Hausen profitierten zwölf Schweizer Weberinnen, die mitreisten und ihr Know-how einbrachten, schnell von der neuen Produktion – allen Widrigkeiten zum Trotz.

Neustrukturierung und Familiengesellschaft

1939 nahmen Hubert, Richard und Hans offiziell das Geschäft als Weisbrod‑Zürrer‑Söhne auf; Tante Emmy erhielt ihre Auszahlung. Gut gemeint, aber ohne Rücklagen – zur Finanzierung mussten Häuser und Ländereien in Hausen verkauft werden. Doch die Brüder verfügten über enormen Unternehmergeist. Auch während des Zweiten Weltkriegs gelang es ihnen, das Geschäft am Leben zu halten: Sie produzierten Fallschirmseide und Brokatgewebe für die Heiligsprechung von Nikolaus von der Flüe. Der Rohseidenpreis stieg von CHF 5.50 auf CHF 225. Exporte wurden von Bern streng kontrolliert, doch die Firma agierte flexibel und erfinderisch.

Einführung synthetischer Fasern und neuer Produkte

1947 brachten die Brüder Nylon, Orlon und Terylene ins Sortiment – mit dem Markenthemd „Pratica“, das heiß gebügelt werden konnte und bei Reisenden beliebt war. Richard erfand dafür sogar einen praktischen Trockner‑Bügel namens „Speedo“, produziert in Darwen. Die 1950er Jahre brachten Modernisierung: 1951 wurde in Hausen ein neuer Websaal mit 26 Schiffliwebstühlen eröffnet. Die Belegschaft umfasste 185 Mitarbeitende, davon 62 % italienische Gastarbeiter, die in eigens dafür erworbenen und gebauten Wohnungen unterkamen. Die Firma unterstützte ein Centro Sociale in Affoltern und veröffentlichte die „Seidenpost“ auch auf Italienisch.

Diversifikation: Hygieneprodukte als Rettungsanker

Eine Zufallsbegegnung 1957 führte zur Gründung der Loring AG in Mettmenstetten – mit Damenbinden und danach Wegwerfwindeln „Milette“ als Hauptprodukt. Diese neue Geschäftslinie erreichte schnell 50 % Marktanteil in der Schweiz und sicherte das finanzielle Überleben der Firma – besonders in Währungskrisen. Maschinen wurden finanziert, Hallen gebaut, eigene Lastwagen eingesetzt – ein Quantensprung.

Modernisierung und Strukturwandel

Hans Weisbrod leitete erfolgreich internationale Markenpolitik: Stofflinien mit Namen wie „LASCARA“, „SARONGA SILK“ und „VERLASCA“ fanden Käufer in Japan, Nordamerika und Australien. Zellwollgewebe („Nanking“, Crêpes mit Spezialgarnen) brachten neue Absatzmärkte – wenn auch gezeichnet von rohstoffbedingten Gesundheitsrisiken bei der Produktion.

1964 wurde die Firma in die Weisbrod‑Zürrer AG umgewandelt mit Dr. Hubert Weisbrod als Verwaltungsratspräsident. Hans war Verbandspräsident; 1964 referierte er über die Franken-Politik: „Nicht mehr konsumieren als produziert werden kann.“ Trotz Wachstum blieb das Unternehmen bescheiden – kein üppiger Repräsentationsbau, sondern Konzentration auf Qualität.

Übergabe an die sechste Generation

Ronald Weisbrod, 1969 ins Betrieb eingetreten, modernisierte früh: Handy & Computer wurden eingeführt, eine EDV für Lagerverwaltung wurde entwickelt. Sein Business-Studium in Paris und USA ermöglichte ihm einen modernen Blick. 1975 feierte man 150 Jahre – mit Dampfschiff und Zirkus als Dank an die Mitarbeiter. 1980 übernahm Ronald nach dem Tod Hans’ die Führung gemeinsam mit Edi Waldesbühl, der 1985 die Pensionskasse umstrukturierte.

Bei seinem Alleingang 1984 beschäftigte die Firma mit Loring stattliche 277 Personen und erreichte einen Umsatz von CHF 70 Millionen – ein Rekord.

Previous
Previous

Weisbrod-Zürrer von 1984 – 2006

Next
Next

Weisbrod-Zürrer von 1905 – 1930