Weisbrod-Zürrer von 2006 – heute

Ein mutiger Generationenwechsel

2006 übernahmen Sabine und Oliver Weisbrod-Steiner die Geschäftsleitung. Als Quereinsteiger aus der Naturwissenschaft hatten sie sich zuvor mit zukunftsweisenden Projekten das Vertrauen der Belegschaft und der Familie erarbeitet. Ronald Weisbrod blieb bis Ende 2022 als Präsident des Verwaltungsrats strategisch involviert und unterstützte den Übergang. Auch Controller Edi Waldesbühl war zentral für den Aufbau des jungen Leitungsteams.

Marke statt Zulieferer: Der Sprung in den Direktvertrieb

Ein zentraler Schritt war 2004 die Einführung der Eigenmarke Weisbrod: Krawatten und Schals „Swiss Made“ wurden direkt an Endkund:innen verkauft – ein Bruch mit der Vergangenheit als reiner Zulieferbetrieb. Mit dem Erfolg des neuen Onlineshops wurde sogar eine Boutique im Zürcher Hotel Greulich eröffnet, später folgte ein Geschäft an der Kramgasse in Bern. Diese Boutiquen wurden von Olivers Schwestern Christin und Lilian mit viel Kreativität geführt und machten die neue Marke schweizweit bekannt.

Forschung, Hightech und Seide

Durch ihre wissenschaftliche Ausbildung führten Sabine und Oliver mutig Kooperationen mit Hochschulen ein. Sie entwickelten:

  • „cocoontec“ – schmutzabweisende Seidenkrawatten

  • Die erste weltweit GOTS-zertifizierte Bio-Seide

  • Mit Gold beschichtete Seidenstoffe

  • Innendekorationsstoffe mit leuchtenden Lichtfasern für Glasfassaden

Diese innovativen Projekte eröffneten neue Märkte – etwa für extra breite Vorhangstoffe. Dafür wurde 2006 eine neue Produktionshalle gebaut, und nach dem Ende der Weberei Boller-Winkler 2007 in Rekordzeit eine weitere. Mit den 6,5 Meter hohen Jacquardmaschinen konnte Weisbrod die kreative Kontrolle behalten und der Kundschaft Exklusivität garantieren.

Krise, Schliessung, Umbruch

Doch 2008 schlug die Finanzkrise zu. Kunden hielten Investitionen zurück, der starke Franken verteuerte die Produktion zusätzlich. Trotz innovativer Produkte brachen die Aufträge ein. 2012 musste der Webereibetrieb in Hausen eingestellt werden. Von den 98 Angestellten verloren 78 ihre Arbeit. Ein Sozialplan half beim Übergang. Die 100 Webmaschinen und Lagerbestände wurden verkauft – ein Teil nach Ostdeutschland, doch auch diese Weberei überlebte nur kurz.

Auch die Boutiquen in Zürich und Bern mussten 2014 geschlossen werden, da das Verkaufsargument „Stoffe aus eigener Weberei“ wegfiel. Christin und Lilian verließen daraufhin das Unternehmen. Der Onlineshop blieb bestehen, beliefert heute vor allem Firmen und Zünfte. Die Stoffe stammen nun aus einem Familienbetrieb in Como, mit dem eine enge Partnerschaft besteht.

Neues Standbein: Immobilien & Gewerbezentrum

Parallel zum Niedergang des Textilgeschäfts entstand ein neues Kapitel: Auf dem ehemaligen Fabrikareal wurde das Gewerbezentrum Weisbrod-Areal entwickelt. Sabine und Oliver erweiterten den Fabrikladen zum grössten Stoffladen der Schweiz (700 m²), führten Nähkurse, eine Deko-Boutique und ein Stofflager ein.

2017 wurde mit dem Projekt Törlenmatt die größte Überbauung der Firmengeschichte abgeschlossen: 11 Wohnhäuser mit Mischnutzung entstanden in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Architekturbüro nusus. Das half, die Firma nach den Verlustjahren zu stabilisieren.

Heute umfasst das Weisbrod-Areal über 10.000 m² vermietete Fläche mit vielseitiger Nutzung:

  • Textil: Stoffladen, Kurse, Designarchiv („Silk Memory“)

  • Bewegung & Gesundheit: Yoga, Kampfsport, Therapie

  • Kunst & Gewerbe: Ateliers, Druckerei, Kaffeerösterei, Möbel

  • Bildung: Tagesschule Birke

  • Gastronomie: Café im Langhaus

  • Energie: Die 2022 eröffnete Holzschnitzel-Heizzentrale versorgt das Areal CO₂-neutral

Die IG Weisbrod-Areal organisiert Events wie den Adventsmärt oder das Rampen Open Air – das Gelände lebt weiter, kreativ, gemeinschaftlich und lokal verankert.

Architektur mit Geschichte und Seele

Die Architektur des Areals schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Das Langhaus von 1875 mit seiner Holzschindelfassade wurde 2018 denkmalgerecht saniert. Giebeldächer und Naturstein gliedern sich harmonisch in die Landschaft ein. Ein Maulbeerbaum im Innenhof erinnert an das Seidenerbe – der Platz heißt heute „Seidenhof“.

Auch der öffentliche Ämtlerweg führt über das Gelände – Symbol für Öffnung und Wandel.

Blick nach vorn: Die sechste Generation übernimmt

Ende 2022 übernahm Christin Weisbrod, Biologin und Tochter von Ronald, das Präsidium des Verwaltungsrats – als Vertreterin der sechsten Generation. Ronald hatte sich diesen Schritt gewünscht, um die Familientradition weiterzugeben und zugleich die strategische Linie gemeinsam mit Sabine und Oliver weiterzuführen.

Im Februar 2024 verstarb Ronald Weisbrod überraschend. Trotz langer Krankheit war er bis zuletzt eng mit der Firma verbunden und arbeitete an dieser Chronik mit. Der 200-Jahr-Jubiläumsanlass soll zu seinem Gedenken gestaltet werden – als Würdigung eines Lebenswerks, das durch sechs Generationen hindurch immer wieder neu erfunden wurde.

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