Die Produktion von Seide
Seide gilt seit Jahrtausenden als einer der edelsten Stoffe der Welt: ein schimmerndes Naturprodukt, das Leichtigkeit und Luxus in einzigartiger Weise vereint. Doch bis aus einem zarten Faden ein fertiges Gewebe entsteht, durchläuft Seide eine erstaunliche Verwandlung. Ihre Produktion verbindet Natur, Handwerk und Technik und ein Prozess, der ebenso filigran ist wie das Endprodukt selbst.
Alles beginnt mit der Seidenraupe, genauer: mit der Larve des Bombyx mori, dem Maulbeerspinner. Diese Schmetterlingsart wurde bereits vor über 5.000 Jahren in China domestiziert und lebt heute ausschließlich in menschlicher Obhut. Ihre Nahrung besteht ausschließlich aus den Blättern des weissen Maulbeerbaums (Morus alba). Eine Pflanze, die nicht nur genügsam, sondern reich an Nährstoffen ist und damit ideale Bedingungen für die Raupenzucht bietet.
Eine einzelne Raupe frisst während ihrer nur etwa 30-tägigen Wachstumsphase das Zigfache ihres Körpergewichts. Ist sie ausgewachsen, spinnt sie innerhalb von etwa drei Tagen einen Kokon. Dabei legt sie einen einzigen, ununterbrochenen Faden von bis zu 3.000 Metern Länge. Dieser Faden ist Rohseide: ein natürlicher Biopolymer, der aus zwei Hauptproteinen besteht: Fibroin, das die Faser bildet, und Sericin, das sie zusammenhält.
Nach dem Spinnen der Kokons beginnt die sorgfältige Verarbeitung. Um den Faden in einem Stück abwickeln zu können, wird der Kokon zunächst in heissem Wasser eingeweicht. Dieser Schritt löst das Sericin, das wie ein natürlicher Klebstoff wirkt, und macht die Faser geschmeidig. Anschliessen wird der Seidenfaden abgehaspelt. Das heisst, mehrere Fäden werden gebündelt, um einen Garnstrang zu bilden, der stabil genug für die Weiterverarbeitung ist. Für ein Kilogramm Rohseide benötigt man etwa 5.000 Kokons.
Die dabei gewonnene Grege-Seide ist noch roh und enthält natürliche Unregelmässigkeiten. Sie muss gereinigt, entbastet und versponnen werden. Dabei werden Glanz, Weichheit und die typische seidige Haptik verstärkt. Je nach gewünschtem Effekt kann die Seide anschliessend verzwirnt, gefärbt oder veredelt werden.
Der nächste Schritt ist das Weben. Hier trifft Natur auf Technik: traditionelle Webstühle, wie sie früher auch in der Schweiz verwendet wurden, schaffen durch aufwändige Bindungen raffinierte Muster und Strukturen. Moderne Webmaschinen ermöglichen heute hochpräzise Designs mit höchster Fadendichte. Ideal für Stoffe, die sowohl luxuriös als auch langlebig sind.
Weisbrod arbeitete für Jahrzehnte mit renommierten Partnern und nutzte eigene Webkunst, um Seide in all ihren Facetten zu gestalten: von fliessenden Crêpes und glänzenden Satins bis zu opulenten Brokaten oder modernen Jacquards. Dabei stand immer der Dialog zwischen Tradition und Innovation im Mittelpunkt.
Was Seide so besonders macht, ist ihre einzigartige Kombination aus Festigkeit, Leichtigkeit und Glanz. Sie reguliert auf natürliche Weise Temperatur und Feuchtigkeit, ist hautfreundlich und biologisch abbaubar. Ein Hightech-Material der Natur. Kein Wunder, dass sie in der Haute Couture ebenso geschätzt wird wie im Interior Design oder in der technischen Textilforschung.
Jeder Zentimeter Seide, der unser Haus verlässt, trägt ein Stück dieser Reise in sich. Von der Raupe bis zur Robe.